Nienstedt
Nienstedt im Wandel der Jahrhunderte
Im Jahr 1055 wurde Nienstedt in einer Urkunde des Erzbischofes Lupold von Mainz erstmals urkundlich erwähnt. Seit dem 12. Jahrhundert gehörte der Ort zum Herrschaftsbereich der Welfen. Die Grundherrschaft hatten verschiedene Adelsfamilien und Klöster inne. So verfügten die Grafen von Northeim (ausgestorben 1144) sowie die Familien von Letgast (ausgestorben 1353), von Oldershausen und von Hardenberg über Rechte und Besitzungen in Nienstedt. Auch das Petersstift in Nörten und das Kloster Northeim besaßen Einkünfte aus dem Dorf. Die Kirche in Nienstedt stellte das geistliche Zentrum des Sösetales dar. Zur Pfarrei gehörten neben dem Ort selbst auch noch Förste, Eisdorf (bis 1590) und Willensen (bis 1635). Das Patronat über die Nienstedter Kirche lag zunächst bei denen von Letgast und ging nach deren Aussterben 1353 an die von Oldershausen über. Von 1589 bis 1816 hatten die von Hardenberg das Patronatsrecht inne. Diese 1776 in den Grafenstand erhobene Adelsfamilie konnte ihre Besitzungen und Rechte im Ort erweitern, sie war bis ins 19. Jahrhundert der größte Grundbesitzer in Nienstedt.
Im Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648) kam es auch in Nienstedt zu zahlreichen Zerstörungen. Plünderungen und Kontributionen ließen die Einwohner verarmen. Gewalttaten durchziehender Truppen und Seuchen dezimierten die Bevölkerung. 1626 wurde das halbe Dorf, das damals aus 19 Wohnhäusern, Kirche und Pfarrhaus bestand, von Soldaten niedergebrannt. Es dauerte Jahrzehnte, bis die Folgen des Krieges überwunden werden konnten. 1689 zählte man in Nienstedt 112 Einwohner, die in 22 Häusern lebten. Neben der Landwirtschaft, die bis ins 20. Jahrhundert hinein den Haupterwerbszweig der Nienstedter darstellte, gab es auch schon verschiedene Handwerker im Dorf (z. B. Leineweber). Insbesondere die Inhaber kleiner Hofstellen waren gezwungen, sich einen handwerklichen Nebenerwerb zu suchen oder in der Forst zu arbeiten. Im Mittelalter wurden am Goldbach und in der nördlichen Gemarkung Schmelzhütten betrieben, die noch heute anhand der Schlackenreste nachweisbar sind. Einige Dorfbewohner unterhielten auch Pferdegespanne, die sie für Lohnfuhren nutzten.
Ein Dorfkrug, der der Familie von Hardenberg gehörte, lag in der Nähe der Sösefurt an der Straße von Osterode - Nienstedt - Echte / Leinetal. Diese Straße über den Westerhöfer Wald wurde zwischen 1843 und 1845 neu trassiert und ausgebaut. In diesen Jahren entstand auch erstmals eine Sösebrücke zwischen Nienstedt und Förste, die die Furt und den älteren Fußgängersteg ersetzte. Bei extremen Niederschlägen oder in der Schneeschmelze kam es in den unteren Bereichen des Dorfes zu Überschwemmungen. Insbesondere seit dem Bau des Förster Sösedammes 1731/1732 wurde Nienstedt häufiger von Hochwasser betroffen.
1823 lebten in Nienstedt 192 Einwohner in 41 Wohnhäusern. Im 19. Jahrhundert kam es durch die Ablösung und Verkopplung zu einer grundlegenden Neuordnung der Landwirtschaft in Nienstedt. Jahrhundertelang waren die einzelnen Bauern von ihren adeligen und geistlichen Grundherren abhängig. Sie mussten hohe Abgaben zahlen und waren zur Ableistung zahlreicher Dienste verpflichtet. Außerdem hatte der Grundherr die Möglichkeit, ihm missliebige Bauern von den Höfen zu verjagen. Das hannoversche Ablösungsgesetz von 1831 erlaubte nun auch den Nienstedter Bauern, die verschiedenen Abgaben und Dienste durch hohe Geldzahlungen abzulösen. Die dienstpflichtigen Meier- und Kothöfe wurden dadurch in freie Bauernstellen umgewandelt. Die dafür notwendigen Gelder konnten als langfristige Kredite bei der hannoverschen Landeskreditanstalt aufgenommen werden. Von 1867 - 1880 erhielten die landwirtschaftliche genutzten Flächen in einem sogenannten Teilungs- und Verkopplungsverfahren einen neuen Zuschnitt. Die Allmendeflächen, die bislang von allen Gemeindeberechtigten genutzt wurden, verteilte man dabei auf die einzelnen Höhe. Viele Felder und Weiden, die durch Erbteilungen in sehr kleine Parzellen unterteilt worden waren, legte man nunmehr zu größeren und besser zu bewirtschaftenden Flächen zusammen. Ablösung, Teilung und Verkopplung hatten die Nienstedter Landwirtschaft auf eine moderne Grundlage gestellt. Es war nun das Kapital vorhanden, die Landwirtschaft schrittweise zu mechanisieren. Der verstärkte Einsatz von Kunstdünger verbesserte die Betriebsergebnisse der Höfe. Der wachsende Wohlstand erlaubte es der Gemeinde, 1883 wieder eine eigene Schule einzurichten. Schon vor dem Dreißigjährigen Krieg hatte es in Nienstedt eine eigene Schule gegeben, die jedoch nach deren Zerstörung 1626 nicht wieder aufgebaut wurde. Mit der Gründung der Mittelpunktschule Sösetal in Förste 1961 / 1964 löste man die eigenständige Nienstedter Schule wieder auf.
Mit der Eingliederung der Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg, die Einwohnerzahl wuchs von 304 im Jahr 1939 auf 551 im Jahr 1949, änderte sich die Bevölkerungsstruktur des Ortes. In neuen Baugebieten entstand zusätzlicher Wohnraum. Für die Zuwanderer standen im Dorf nur wenige Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und den anderen örtlichen Betrieben zur Verfügung. Gleichzeitig verringerte sich der Arbeitskräftebedarf durch den Wandel in der Land- und Forstwirtschaft. Immer mehr Einwohner Nienstedts waren daher gezwungen, als Pendler in anderen Orten Arbeit anzunehmen. Die Flurbereinigung 1959 - 1974 führte zu einer Neuordnung der Wirtschaftsflächen sowie des Wege- und Gewässernetzes im Bereich Nienstedt. 1972 wurde Nienstedt in die Stadt Osterode am Harz eingemeindet. In dem Ort leben heute 442 Einwohner (Stand Juli 2012).